10 Gründe gegen TTIP

Die Versprechen der Politik und die wirtschaftliche Realität des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den U.S.A.

Früher war die SPD eine volksnahe Partei. Eine Partei, mit der man kuscheln konnte. Eine Partei, mit der man aber auch mal um die Blocks ziehen konnte, um den Raffhälsen ans Bein zu pinkeln. Die Zeiten haben sich geändert. Heute sitzen die Vertreter der SPD auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos und kuscheln lieber mit den Konzernen. Nebenbei machen sie sich dann über die Sorgen und Ängste ihrer Wähler und Parteimitglieder lustig:

„Vielleicht ist die Debatte in Deutschland manchmal schwieriger als in anderen Ländern, weil wir ein Land sind, das reich und hysterisch ist.“
– Sigmar Gabriel

Stimmt, in China – dem Heimatland des Turbokappitalismus – sind solche Debatten wahrscheinlich weniger schwierig. Vielleicht kann sich jemand nochmal die Zeit nehmen, Herrn Gabriel zu erklären, wie das so funktioniert mit Demokratie, öffentlicher Debatte, Meinungsfreiheit und diesem ganzen hysterischen Krimskrams. Bis dahin wird er weiter so tun, als wären die Kritiker von TTIP nur ein verstreuter Haufen von Verschwörungstheoretikern, Ewiggestrigen oder gar Geisteskranken. Manchmal hat man den Eindruck, Sigmar Gabriel gebärdet sich zunehmend wie Hans-Olaf Henkel zu seinen besten Zeiten.

Ich habe die letzten Tage verschiedene Artikel und Meinungen zu dem geplanten transatlantischen Handelsabkommen („Transatlantic Trade and Investment Partnership“, kurz „TTIP“) gelesen. Ich fasse meine Meinung in zehn Gründen zusammen:

1. TTIP schafft keine Arbeitsplätze
2. TTIP schafft Wachstum – für Konzerne
3. EU fails but TTIP succeeds?
4. TTIP untergräbt Standards
5. Transatlantischer Graben
6. Einseitige Transparenz
7. Imperialismus reloaded
8. Alternativlosigkeit
9. Investitionsschutz
10. Fehlende Staatseinnahmen
Was kann ich tun?
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1. TTIP schafft keine Arbeitsplätze

Arbeitsplätze ist das ewige Mantra der Politik. Es ist sowas wie die Gefängnisfrei-Karte im Monopoly. Funktioniert immer. Wir müssen dieses marode Bauunternehmen mit staatlichen Geldern retten, zum Erhalt der damit verbundenen Arbeitsplätze (Gerhard Schröder). Wir dürfen die Steuervergünstigungen für Hoteliers nicht streichen, auch zur Sicherung der damit verbundenen Arbeitsplätze (Guido Westerwelle). Der Mindestlohn gefährdet bis zu einer Million Arbeitsplätze (Hans-Werner Sinn).

Auch zur Rechtfertigung von TTIP wird diese Worthülse aus dem ewigen Poesiealbum der Politik wieder hervorgeholt:

„Der Abbau von Zöllen und anderen Handelsbarrieren liegt im natürlichen Interesse einer Exportnation wie der deutschen. Millionen Arbeitsplätze hängen in unserem Land vom Export und von möglichst freien Handelswegen ab.“
– Sigmar Gabriel

„Ein Freihandelsabkommen zwischen diesen beiden großen Wirtschaftsräten führt zu mehr Arbeitsplätzen.“
– Angela Merkel

Macht sich eigentlich jemand die Mühe, diese hochtrabenden, aber vollkommen unverbindlichen Versprechen im Nachhinein mal zu überprüfen? Schauen wir uns Europa an. Ich wette darauf, dass die Politiker bei der Aushandlung der europäischen Freihandelsabkommen auch Arbeitsplätze und Wohlstand für alle versprochen haben. Die gleichen Phrasen abgespult haben wie heute für TTIP und CETA. Wir haben jetzt in Europa einen freien Markt und einheitliche Standards. Wir haben aber auch in Spanien eine Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent. Ähnlich schlimm sieht es in Griechenland, Italien, Portugal und Frankreich aus. Eine ganze Generation von jungen Menschen ist ohne Perspektive.

In Deutschland hat die Politik die Berechnung dieser höchst brisanten Zahl der Arbeitslosen immer wieder leicht modifiziert. Arbeitssuchende werden abgezogen. Weiterbildungsmaßnahmen werden abgezogen. Praktika werden abgezogen. Ältere Arbeitslose werden abgezogen. Und auch all die 400-Euro-Jober und Aufstocker, die ebenfalls auf die Unterstützung des Staates angewiesen sind, fallen unter den Tisch. Voilá, da haben wir das Jobwunder in Deutschland!

Deswegen misstraue ich dem Argument, dass das neue transatlantische Handelsabkommen angeblich Arbeitsplätze schaffen soll. So funktioniert der Markt nicht. Wenn Standards vereinheitlicht werden, dann fallen abweichende Prüfverfahren weg, dann können Produktionen zusammengelegt und Arbeitsplätze eingespart werden. Wenn zwei so große Märkte wie Nordamerika und Europa fusionieren, dann steigt der Druck auf mittelständische Unternehmen und die Zahl von Insolvenzen steigt an. Eine wissenschaftliche Studie geht davon aus, dass durch TTIP in Europa ca. 600.000 Arbeitsplätze verloren gehen.

2. TTIP schafft Wachstum – für Konzerne

Ach, das gute alte Wirtschaftswachstum! Noch so etwas, was gebetsmühlenartig von der Politik beschworen wird wie einst der Heilige Geist von der Kirche oder die Völkerfreundschaft in der DDR. Es ist wie ein Mem, das durch die westliche Welt geistert. Wie die Angst vor Krebs hat es sich tief in das kollektive Gedächtnis gefressen. Drei Prozent Wachstum und alles wird gut. Null Prozent Wachstum und das Weltende steht kurz bevor. Aktienmärkte kollabieren. Geld ist plötzlich nur noch lustig bedrucktes Papier. Unruhen brechen aus und Sigmar Gabriel muss nach Panama flüchten.

Die Politik, die Wirtschaft und die Medien handeln mit Angst. Die Hysterie, von der Sigmar Gabriel eingangs sprach, ist gewollt. Er selbst nährt sie:

„Die Verlagerung der Zentren der Weltwirtschaft nach Asien und China setzen Europa unter Druck. Während bei uns die Bevölkerung und das Wirtschaftswachstum abnehmen und die sozialen und ökologischen Standards hoch sind, ist es im Asien-Pazifik-Raum eher umgekehrt. Noch sind die USA und Europa die größten Handelsräume, aber man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass wir diese Stellung nicht auf Dauer haben werden.“
– Sigmar Gabriel

Angst nützt der Politik. Ängstliche Menschen lassen sich leichter lenken. Ängstliche Menschen fällt es schwerer, klar zu denken und kritische Fragen zu stellen. Das Adrenalin wirkt wie ein Aus-Schalter auf die höheren Gehirnfunktionen. Deswegen machen auch nur wenige sich die Mühe zu fragen, was Wirtschaftswachstum überhaupt ist, wie es zustande kommt und warum die Politik wie ein Junkie an der Nadel des Bruttoinlandsprodukts hängt.

Aber es gibt gute Gründe das Gebet vom Wirtschaftswachstum in Zweifel zu ziehen:

  • Das westliche Wirtschaftswachstum ist größtenteils schuldenfinanziert.
  • Das Wirtschaftswachstum hängt maßgeblich von Investitionen des Staates ab.
  • Auch ein überdurchschnittlich hohes Wirtschaftswachstum ist keine Garantie für allgemeinen Wohlstand und soziale Gerechtigkeit.
  • Das Wirtschaftswachstum in der westlichen Welt stagniert, daran ändert auch eine lockere Geldpolitik nichts.
  • Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Maßeinheit ist unzureichend, um den Wohlstand einer Nation zu beurteilen.

Wachstum ist ein ökonomischer Begriff. Unternehmen müssen wachsen, um profitabel zu bleiben. Aber es gibt kein unendliches Wachstum. Das ist eine Illusion. Und das Wirtschaftswachstum kann viele andere Faktoren, die für das Glück und den Wohlstand der Menschen entscheidend sind, nicht beschreiben. Aber es geht hier auch nicht um Menschen oder um Arbeitsplätze. Es geht auch nicht um mittelständische Firmen.

Bei dem transatlantischen Handelsabkommen geht es in erster Linie um das ungehinderte Wachstum von Konzernen. Dazu muss man sich folgendes klar machen: Ein deutsches Wirtschaftswachstum von drei Prozent bedeutet für einen DAX-Konzern ein Gewinnwachstum zwischen zehn und achtzig Prozent. Das ist das Wachstum, von dem wir hier eigentlich sprechen. Wenn TTIP Wachstum verspricht, dann für die „big player“ auf dem Markt.

3. EU fails but TTIP succeeds?

Nehmen wir nochmal die Europäische Union als Ausgangsmodell einer Freihandelszone. Zentrale Gesetzgebung, einheitliche Standards, keine Zollbarrieren, keine Handelseinschränkungen, Freizügigkeit, gemeinsame Währung. Das ist wie Weihnachten und Ostern an einem Tag für die Anhänger der neoliberalen Wirtschaftsphilosophie. Die unsichtbare Hand müsste den Wohlstand nur so über die Menschen in Europa ausschütten.

Schauen wir uns die Wirklichkeit an: Der Markt ist in Schieflage. Die Finanzkrisen in 2001 (Platzen der Dotcom-Balse), 2007 (Pleite von Lehman Brothers) und 2010 (Eurokrise) haben in Europa deutliche Spuren hinterlassen. Technologisch ist Europa in vielen Industriebereichen wie Hightech, Elektronik, Internetdienstleistungen, Stahl- und Chemieindustrie abgehängt. Die meisten Staaten der europäischen Union stecken tief in den Schulden und sind kaum in der Lage ihre Haushalte zu konsolidieren. Ebenso düster sieht es bei der Schuldenlast von Unternehmen, privaten Haushalten und im Finanzsektor aus. Mehrfach mussten marode Banken vom Steuerzahler gerettet werden. Vor allem in den südlichen Ländern der Europäischen Union herrschen Rezession und Arbeitslosigkeit. Der Staat muss sich aufgrund von Sparmaßnahmen als Investor zurückziehen. Die EZB muss Anleihen aufkaufen, sonst wären faktisch einige Staaten der Europäischen Union bereits insolvent. Griechenland steht kurz davor, aus der gemeinsamen Wirtschaftszone heraus zu fallen. Die bisherigen Sparprogramme haben das Land an den wirtschaftlichen Abgrund getrieben. An der Schuldenlast hat das nichts geändert. Die EZB legt mit ihrer Niedrigzinspolitik den Keim für neue Verwerfungen am Markt, vor allem im Immobiliensektor, der als sicheres Anlageinstrument in Krisenzeiten fehleingeschätzt wird. Und Deutschland erwirtschaftet Jahr für Jahr einen gewaltigen Handelsüberschuss.

Es ist noch nicht klar, ob die Europäische Union in ihrer jetzigen Form überleben wird. Europa steht vor großen Herausforderungen. Doch das geht mir nicht in den Kopf: Wenn ein riesiger Handelsplatz wie Europa bereits derart massiv unter Druck steht und mit Strukturproblemen zu kämpfen hat, wie kann ein anderer, noch größerer Handelsplatz dann als Erfolg versprechende Lösung angesehen werden? Wie können unsere Politiker und die EU-Beamten in der Öffentlichkeit behaupten, dass dies zum Wohl von Deutschland und Europa ist? Mir erscheint das nicht plausibel. Ein größerer Markt wird noch größere strukturelle, finanzielle und politische Probleme nach sich ziehen. Er wird bestehende Probleme verschärfen. Aber die Politik, getrieben von einem blinden Fortschritts- und Expansionsglauben, der an den Größenwahn imperialistischer Zeiten gemahnt, scheint die Risiken eines solchen Freihandelsabkommens mit den USA einfach vollkommen auszublenden. Dabei gehört Risikomanagement zum grundlegenden Handwerkszeug jedes großen Unternehmens. Es wäre an der Zeit, das auch in der internationalen Politik einzuführen.

4. TTIP untergräbt Standards

Die deutsche Kanzlerin hat ihr Wort gegeben:

„Aber es bleibt bei unseren sehr hohen europäischen Standards für Verbraucher und Umwelt. Dafür stehe ich ein.“
– Angela Merkel

Dann wird das ja wohl stimmen! Auf das Wort von Frau Merkel ist immer Verlass. Denken wir nur an den Atomausstieg oder an die Absage, Griechenland mit deutschen Geldern zu retten. Und, was soll’s? Wenn das Handelsabkommen unter Dach und Fach ist, wenn es in Kraft ist, wenn sich nach 10 Jahren die Folgen zeigen, ist Angela Merkel nicht mehr im Amt. Für falsche Versprechen zur Verantwortung gezogen, wurde ein ehemaliger Bundeskanzler noch nie. Die Konsequenzen tragen andere.

Man muss sich die Widersprüche in den Aussagen der Politiker ganz klar vor Augen führen. In einem Satz behaupten sie, dass es bei den hohen europäischen Standards bleibt. Im gleichen Interview, ein paar Sätze später, heißt es aber dann, dass die Standards neu ausgehandelt werden:

„Außerdem gibt es uns die Möglichkeit, Standards zu setzen, im Verbraucherschutz, im Umweltschutz, im sozialen Bereich.“
– Angela Merkel

Was denn nun? Bestehende Standards beibehalten oder neue Standards setzen?

Ich will das nicht auf zwei Zitate reduzieren. Hören wir uns an, was Michael Froman, der Chef-Unterhändler der USA, dazu sagt:

Wir hören sehr oft, das geplante Abkommen werde die Standards senken. Aber darum geht es nicht. Nichts in TTIP wird Standards senken. Wir haben keine Deregulierungsagenda! Sowohl die USA also auch Europa haben gut regulierte Märkte.
– Michael Froman

Also werden keine Standards verändert. Es findet keine Deregulierung statt. In einem anderen Interview heißt es dann:

Die anspruchsvollsten Bereiche und wohl auch die wichtigsten in diesem Vertrag haben mit unserer Zusammenarbeit bei Regulierungsfragen zu tun, der Angleichung von Standards.
– Michael Froman

Wie passt das zusammen? Kommt das nur mir so vor oder sind das wirklich widersprüchliche Aussagen?

Ist die Skepsis von Verbraucherschützern und Umweltexperten wirklich übertrieben? Können wir den Politikern vertrauen, wenn Sie sagen, dass die hart erkämpften Standards in den Bereichen Sicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz bestehen bleiben? Diese Standards bedeuten für Unternehmen vor allem eines: Kosten. Wenn aber die Produktionsverfahren in den USA und Europa als gleichwertig eingestuft werden, dann erhalten amerikanische Unternehmen, die einer weniger starken Regulation unterworfen sind, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz aus Europa.

Dabei geht es nicht nur um Chlorhühnchen oder genmanipulierten Mais. Wer sich einmal mit der Lebensmittelindustrie in den USA auseinandergesetzt hat, wird die Versprechen und Beteuerungen der Politiker und Unterhändler ernsthaft in Zweifel ziehen. Hier stehen milliardenschwere Lobbyverbände dahinter. Diese arbeiten Tag und Nacht daran, die Regulierung von staatlicher Seite so weit wie möglich zu reduzieren. Jede Gesetzesvorschrift, die ausgehebelt, aufgeweicht, angefochten oder umgangen werden kann, bedeutet für diese Konzerne eines: Milliardengewinne. Die Schwächung von rechtsstaatlicher Kontrolle durch bilaterale Freihandelsabkommen ist da wie ein Geschenk für diese global agierenden Unternehmen.

5. Transatlantischer Graben

Die Politik wundert sich über den massiven Widerstand gegen TTIP. Aber die Ablehnung hat auch ein psychologisches Moment. Während deutsche Politiker wie Merkel immer wieder die Deutsch-Amerikanische Freundschaft beschwören, haben sich die Einstellung und das Empfinden der deutschen Bürger gegenüber den USA in den letzten zwanzig Jahren drastisch verändert. In manchen Fällen – ich zähle mich nicht dazu – kann man tatsächlich schon von Anti-Amerikanismus sprechen.

Die entscheidende Frage ist: Mit wem wollen wir Geschäfte machen? Für globalisierte Konzerne mag diese Frage zweitrangig sein. Der Markt ist – anders als viele glauben – nicht von Freiheit, liberalen Werten und demokratischen Systemen abhängig. Kapitalismus funktioniert überall: in Königreichen (Jordanien), in Oligarchien (Russland), in islamisch-herrschaftlichen Staaten (Saudi-Arabien), selbst das letzte große kommunistische Land (China) hat einen neuen Turbokapitalismus hervorgebracht, der allem widerspricht, was Marx und Mao vertreten haben. Die wenigen Voraussetzungen für eine marktwirtschaftliche Ordnung sind Schutz des Privateigentums und freier Handel. Alles andere kann eingepreist werden.

Die Erschütterung und das Mitleid nach den Anschlägen vom 11. September 2001 waren immens. Europa – allen voran das Vereinigte Königreich – solidarisierten sich mit den USA. Aber, was seitdem passiert ist, hat viel von dem Vertrauen und der Hoffnung zerstört, das die Menschen in Europa in die Rolle und Führungskraft der USA nach dem Ende des Kalten Krieges gesetzt haben. Da wäre die rücksichtlose Außenpolitik von George W. Bush und Donald Rumsfeld zu nennen, die im Namen des Anti-Terror-Kampfes geführt wurde. Da wäre der Afghanistan-Krieg zu nennen, der unter dem Strich das Land in eine militärische Besatzungszone verwandelt und die Herrschaft der Taliban nur zeitweise unterbunden hat. Da wäre der zweite Irak-Krieg zu nennen, der unter fadenscheinigen Begründungen angezettelt wurde. Da wären der Blackwater-Skandal und der Folterskandal in Abu-Ghuraib. Da wäre das Gefängnis Guantanamo Bay, wo Menschen wider internationales Recht und unter Verletzung von Menschenrechten inhaftiert und gefoltert wurden, nachweisbar auch unschuldige Menschen. Da wäre die Blockade der USA bei Klimakonferenzen. Da wäre die enttäuschende Politik von Barack Obama, der viele seiner Versprechen nicht eingelöst hat. Da wäre letztlich der NSA-Skandal, der alle bisherigen staatlichen Überwachungs- und Kontrollprogramme in den Schatten stellt, der vorgeblich auch der Terrorabwehr dient, aber auch vor befreundeten Regierungen und Wirtschaftsspionage nicht Halt macht.

Die deutsche Kanzlerin und ihr Wirtschaftsminister blenden das aus, wenn es um die Verhandlungen um das neue transatlantische Freihandelsabkommen geht. Da wird die deutsch-amerikanische Freundschaft wieder bemüht. Aber die Menschen in Deutschland empfinden anders. Sie haben die jüngste Vergangenheit nicht einfach vergessen. Für sie spielt die Politik der USA eine Rolle bei der Beurteilung von TTIP. Sie spielt eine Rolle bei dem Misstrauen der Bürger, was hier in Brüssel und Washington hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wird. Und daran ist nichts irrational oder hysterisch. Für den Markt mögen Moral und Menschenrechte zweitrangig sein, aber nicht für das Empfinden der Menschen. Bei ihnen überwiegt das Unbehagen, denn sie sind zu oft von amerikanischen Politikern getäuscht oder enttäuscht wurden.

6. Einseitige Transparenz

Fehlende Transparenz und fehlendes Mitspracherecht waren und sind die Kernpunkte der Gegner von TTIP. Deswegen verbreitete es sich im Netz und in den Medien anfangs wie ein Lauffeuer, wenn wieder vertrauliche Verhandlungspapiere ans Tageslicht kamen, die brisante Passagen enthielten. In den Chefetagen der EU scheint man diese Botschaft inzwischen verstanden zu haben. Die Beamten der EU versuchen dem Unmut der TTIP-Gegner inzwischen zuvorzukommen und veröffentlichen die Entwurfspapiere für TTIP und weitere Dokumente inzwischen im Netz.

Die Absichten und Strategien der amerikanischen Seite bleiben aber weitestgehend im Dunkeln. Der Einfluss amerikanischer Lobbyverbände auf die Verhandlungen um das Transatlantische Handelsabkommen bleibt undurchsichtig.

Ich frage mich, ob das für die Verhandlungsführer der EU nicht ein strategischer Nachteil ist, wenn sie zu einer weitreichenden Transparenz gezwungen werden, während die andere Partei weiterhin die größtmögliche Geheimhaltung an den Tag legen kann.

7. Imperialismus reloaded

Es ist vielleicht etwas drastisch heutzutage noch von Imperialismus zu sprechen. Die Bedeutung von Nationalstaaten scheint vor allem im Bereich der Ökonomie immer mehr abzunehmen. So hat Deutschland wie viele andere EU-Länder weitreichende Gesetzgebungsbefugnisse an die Europäische Komission und das Europäische Parlament abgegeben.

Aber schauen wir uns nochmal ein paar Zitate der deutschen Politik etwas genauer an:

„Was zwischen den USA und Europa vereinbart wird, könnte beispielgebend auch für andere Gegenden der Welt sein. Wir haben bei den Verhandlungen keine Zeit zu verlieren, denn gerade im asiatischen und pazifischen Bereich werden immer neue Freihandelsabkommen geschlossen, und gerade China ist da sehr aktiv.“
– Angela Merkel

„Die Verlagerung der Zentren der Weltwirtschaft nach Asien und China setzen Europa unter Druck. Während bei uns die Bevölkerung und das Wirtschaftswachstum abnehmen und die sozialen und ökologischen Standards hoch sind, ist es im Asien-Pazifik-Raum eher umgekehrt. Noch sind die USA und Europa die größten Handelsräume, aber man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass wir diese Stellung nicht auf Dauer haben werden. Die Standards des Welthandels – auch die ökologischen und sozialen – werden in Zukunft weit mehr durch die Asien-Pazifik-Region bestimmt werden als durch Europa oder Deutschland. Im Grunde stehen wir vor der Alternative: Schaffen wir Europäer es, die politischen, sozialen, kulturellen und ökologischen Standards im Welthandel mit zu bestimmen, oder werden wir uns in absehbarer Zeit an die Standards anderer anpassen müssen?“
– Sigmar Gabriel

„TTIP ist die vielleicht letzte Chance für Europa und die USA, die globalen Standards des 21. Jahrhunderts zu setzen. Setzen die westlichen Demokratien jetzt nicht gemeinsam diese Standards, zum Beispiel beim Umwelt- oder Verbraucherschutz, so werden Andere es tun. Vor allem China, aber auch Indien und andere stehen in den Startlöchern.“
– Joachim Pfeiffer

Ich würde folgende Rückschlüsse aus den Zitaten ziehen:

  • Die Imperien der Gegenwart heißen nicht mehr Großbritannien, Deutsches Reich oder USA. Es hat in den letzten sechs Jahrzehnten eine Konsolidierung von Wirtschaftsräumen auf kontinentaler Ebene gegeben. Heute heißen die Imperien Nordamerika, Europa, Asien und Südamerika.
  • Die wirtschaftliche Bedeutung der westlichen Nationen, die sogenannten G7-Staaten, schwindet. Diese Staaten kämpfen mit hoher Verschuldung (Japan, Südeuropa), niedrigem Wirtschaftswachstum (Europa und U.S.A.), fehlenden Investitionen in die eigene Infrastruktur (Deutschland, U.S.A.), einem demographischen Wandel (Japan, Deutschland), den Nachfolgen der Deindustrialisierung (UK), den Nachfolgen von Outsourcing (U.S.A.), strukturellen Problemen im Bildungssystem, in der Wissenschaft und Forschung (Europa), und einem zunehmenden Rückstand im Bereich Hightech und Internet (ganz Europa).
  • Zudem sind Gesetzgebungsprozesse in diesen demokratischen Ländern etwas langwieriger als in Staaten wie China oder Russland. Auch die Arbeitsrecht-, Verbraucher-, Umwelt- und Industriestandards sind auf einem hohem Niveau. Darauf spielen auch die Politiker in Ihren Zitaten immer wieder an. Im Klartext heißt das: Was ein Vorteil für die Verbraucher und Arbeitnehmer ist, ist ein Nachteil für die Konzerne.
  • Der Wohlstand und damit auch der politische Einfluß verschieben sich in Richtung Asien. China ist nicht nur der unangefochtene Exportweltmeister, sondern wird die EU und die USA auch als größte Volkswirtschaft ablösen. Zudem ist das Land führend in der Produktion von Unterhaltunselektronik. Das iPhone wird in den westlichen Staaten konsumiert, aber es wird in asiatischen Ländern produziert. Das ist nur ein Beispiel.
  • Aber die chinesische Wirtschaft ist global abhängig von Exporten in die westliche Welt. China ist der wichtigste ausländische Gläubiger der U.S.A. China besitzt US-Staatsanleihen im Wert von 1,25 Billionen US-Dollar. Wenn der europäische oder amerikanische Markt schwächeln, wirkt sich das umgehend auf das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik China aus. Das ist eine der wesentlichen Gründe, warum China nach einer engeren Zusammenarbeit mit Russland strebt und neue Freihandelsabkommen in Asien und Afrika abzuschließen bemüht ist.
  • TTIP wirkt zum Teil wie der Versuch der Wirtschaft und der Politik die alte Hegemonie des europäisch-angelsächsischen Wirtschaftsraums zu verteidigen. Wir gegen Asien. Wir gegen den Rest der Welt. Wir, bevor uns die Asiaten überflügeln. Denn dem Verlust der wirtschaftlichen Vorherrschaft folgt womöglich die politische, die finanzielle, die militärische. Das ist die Angst, die Merkel und Obama antreibt. Das Handelsabkommen soll neue Standards setzen, aber es entspringt alten Dogmen. Nur, dass es heute nicht um Landnahme geht, sondern um ökonomisch-technologische Vorherrschaft.
  • Es scheint inzwischen eine Gegenbewegung zu geben, die Arbeitsplätze wieder zurück zu holen. Die Deindustrialisierung in den 80ern und die Outsourcing-Exzesse in den 90er wirken heute wie unliebsame Fehlentscheidungen. Die Ruinen von Detroit haben die Politiker in den USA wach gerüttelt. Aber dies steht im Widerspruch zu globalen Märkten und freiem Handel. Es ist eher ein Kennzeichen einer neuen Abschottungspolitik – und die Beweggründe für TTIP sind ähnlich.
  • Die Politik wirbt mit dem altehrwürdigen liberalen Argument des freien Handels und des Vorteils für alle. Aber ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa kann auch zur Benachteiligung anderer Länder und Wirtschaftzonen führen. Es setzt vielleicht dahingehend auch falsche politische Signale, wenn es als Ausschluss verstanden wird, als Versuch der Welt neue ökonomische Standards aufzuzwingen. Die oben genannten Zitate deutscher Politiker verstärken genau diesen Eindruck.
  • TTIP ist zwar bedeutungsschwer, aber es ist nur eines von zahlreichen bilateralen Abkommen. Auch der Investorenschutz und die geheime Verhandlungspraxis sind geradezu alltäglich. Die entscheidende Frage aber ist eine andere: Nützen diese zahlreichen Abkommen dem globalen Handel oder verkomplizieren und behindern sie diesen nicht zunehmend? „Mit jedem neuen Abkommen aber wird der Welthandel insgesamt im Zweifel nicht freier, sondern komplizierter und unübersichtlicher.“ (Olaf Gersemann, Martin Greive in „Die Welt“).
  • Strategisch ist ein Handelsabkommen mit den USA vielleicht auch kurzsichtig. Wenn den Märkten in Asien und in den BRIC-Staaten die Zukunft gehört, könnte ein Abkommen mit Nordamerika bestehende Wettbewerbsvorteile Europas im Handel mit diesen Ländern zunichte machen.

8. Alternativlosigkeit

Es ist ein beliebtes rhetorisches Motiv der deutschen Kanzlerin, bestimmte politische Entscheidung als „alternativlos“ darzustellen. So sagte die Kanzlerin auf einem CSU-Parteitag im Dezember folgendes:

„Wenn Deutschland als Exportnation noch in zehn Jahren eine wirklich gute Exportnation sein will, wenn Europa wirtschaftlich auf die Beine kommen will, wenn wir wirklich vorankommen wollen, dann müssen wir ein solches Abkommen mit Haut und Haar und mit Elan und mit wirklicher Überzeugung verhandeln.“
– Angela Merkel

Oder sie spricht in einem der bereits oben genannten Zitate davon, dass man „keine Zeit zu verlieren“ habe. Als würde der gesamte Wohlstand der EU und die Zukunft Deutschlands nur von einer unverzüglichen Zustimmung zu diesem neuen Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten abhängen.

Es ist eine einfache Frage, die mir angesichts dieser rhetorischen Angelhacken im Kopf aufflackert: Warum?

  • Warum gibt es keine Alternativen?
  • Warum ist das gesamte Wohl des deutschen Volkes von der unverzüglichen Zustimmung zu diesem Abkommen abhängig?
  • Warum hängt die gesamte Wirtschaft der EU (Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum, Exporte) an diesem seidenen Faden namens TTIP?
  • Warum bedienen sich unsere Kanzlerin und unser Wirtschaftsminister diesen drastischen Bildern einer Bedrohung. Es erscheint wie eine wenig subtile Form der Panikmache, die eher zu einem Populisten wie Bernd Lucke passt.
  • Warum benötigen wir überhaupt noch den Rat von Kanzlerin, Parlament, Wirtschaftsminister, Ausschüssen, wenn die Entscheidungen, die sie treffen, auf solche Weise vorherbestimmt und unausweichlich sind? Wir wählen unterschiedliche Parteien, aber die von uns ins Amt gewählten selbst haben keine Wahlmöglichkeit mehr?

9. Investitionsschutz

In Bezug auf ein anderes transatlantisches Handelsabkommen (CETA) musste Sigmar Gabriel schnell einsehen, dass es ohne Investionsschutz und Schiedsgerichte nicht geht. Im September 2014 wirkte er noch zuversichtlich und sagte entschieden:

„Es ist völlig klar, dass wir solche Schiedsgerichte ablehnen.“
– Sigmar Gabriel

Bereits zwei Monate später musste er einräumen:

„Ich glaube nicht, dass es möglich sein wird, die Investitionsschutzabkommen komplett aus Ceta herauszubekommen.”
– Sigmar Gabriel

Worum geht es bei den Investitionsschutzklauseln? In erster Linie ist das ein Instrument für ausländische Investoren sich vor staatlicher Willkür zu schützen. Wenn Konzerne sich benachteiligt sehen oder neue Gesetzesvorlagen gegen bisherige Handelsverträge und Freihandelsabkommen verstoßen, können diese Konzerne vor einem Schiedsgericht einen Staat verklagen und Schadensersatz einfordern. Ein liberaler Kommentator fasst das folgendermaßen zusammen:

„Internationaler Investitionsschutz ist eine völkerrechtliche Errungenschaft. International vereinbare Regeln müssen eingehalten werden und einklagbar sein. Gerade für Liberale, die eine Verrechtlichung der internationalen Beziehungen wünschen, ist das ein wichtiger Punkt. Es geht darum, die Macht des Stärkeren zu beschneiden. Jeder, der einmal staatlicher Willkür in einem anderen Land ausgeliefert war, kann das bestätigen. Nicht umsonst knüpft die Bundesregierung seit jeher Exportkredite an den Bestand von Investitionsschutzabkommen: denn sie steigern die Rechtssicherheit gegenüber Gefahren der politischen Instabilität.“
– Dr. Frank Hoffmeister

Aber in der öffentlichen Meinung regt sich zunehmend Widerstand gegen diese Investitionsschutzabkommen und die untrennbar damit einhergehenden Schiedsgerichte. Besonders durch die Verhandlungen zu den transatlantischen Abkommen TTIP und CETA ist das Thema zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte geworden. Die Menschen empfinden es als unverständlich, dass Staat und Steuerzahler in Haftung genommen werden, wenn sich die Renditeerwartungen von Konzernen nicht erfüllen. Es werden böse Erinnerungen an die Finanzkrise 2007 wach: Gewinne werden privatisiert, aber Risiken und Verluste der Unternehmen gehen zu Lasten der öffentlichen Hand. Zudem entziehen sich die eingesetzten Schiedsgerichte einer demokratischen Kontrolle, da sie unter Umgehung der nationalen Gerichtsbarkeit tagen und das oftmals auch noch geheim unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Die Problematik lässt sich vielleicht folgendermaßen vereinfachen: Global tätige Unternehmen benötigen global gültige Regeln. Die gibt es aber nicht. Jedes Land auf der Welt hat eine eigene Verfassung und unterschiedliche Regelungen zum Schutz privaten Eigentums. Die bilateralen Investitionsschutzabkommen stellen für die Konzerne eine Möglichkeit dar, die Bedeutung der nationalstaatlichen Regelungen und die Risiken durch Gesetzesänderungen zu begrenzen. Anstatt Anwälte vor Ort zu beschäftigen, die sich mit regionalen Gesetzen und Gerichten auskennen, können sich die Unternehmen dann direkt auf entsprechende Handelsabkommen berufen und vor internationalen Schiedsgerichten klagen. Da die Staatengemeinschaft sich nicht auf internationale Handelsregeln und Industriestandards einigen konnte (die Regelungen sind eben nicht Völkerrecht, wie Dr. Hoffmeister behauptet, das ist nämlich der Unterschied zwischen international verbindlichem Recht und einer komplexen Anzahl von bilateralen Verträgen), haben die Unternehmen de facto eine eigene Gerichtsbarkeit geschaffen.

„Es ist ja bereits erwähnt worden, dass diese Investitionsschutzabkommen gängige Praxis sind. Wir haben in der Bundesrepublik allein über 130 bilaterale Abkommen mit Ländern, da hat auch niemand sich groß drum gestört.“
– Prof. Dr. Rolf Langhammer

Aber ist „gängige Praxis“ wirklich ein gutes Argument für die internationalen Schiedsgerichte? Kann ein fragwürdige Ausnahmeregelung, die sich über die Jahre verselbstständig und immer öfter Anwendung gefunden hat, dadurch rechtens werden? In dubio pro rex usitatus. Das scheint zumindest der Tenor der Wirtschaftsexperten zu sein.

Dabei sprechen verschiedene Argumente gegen die gängige Praxis:

  • Fehlende Transparenz: Bisher tagten die Schiedsgerichte unter Ausschluss der Öffentlichkeit und entzogen sich somit weitestgehend einer demokratischen Kontrolle.
  • Interessenkonflikte: Ein und derselbe Jurist kann in einem Fall als Schiedsrichter fungieren, als Anwalt des klagenden Unternehmens in einem anderen Fall, als Verteidiger des beklagten Staates in einem dritten, oder auch als Berater bei der Aushandlung von neuen Freihandelsabkommen. Interessenkonflikte und Wechsel in die Politik sind an der Tagesordnung.
  • Parteiische Juristen: Die Schiedsgerichte tendieren dazu, der Unternehmensseite Recht zu geben. Die beteiligten Anwälte und Anwaltskanzleien sind den Konzernen verpflichtet und stehen für den Schutz des Privateigentums ein. Menschenrechte und Umweltabkommen sind von nachrangiger Bedeutung.
  • Klagewelle: In den vergangenen fünfzehn Jahren hat sich die Anzahl der Klagen vor internationalen Schiedsgerichten mehr als verzehnfacht.
  • Klageindustrie: Die Klagen sind so einträglich, dass sie inzwischen von Investoren vorfinanziert werden. Die Unternehmen fordern von den Staaten Milliardenbeträge – wie etwa der Konzern Vattenfall, der Deutschland wegen dem Atomausstieg auf 3,7 Milliarden Euro verklagt. Für die Anwaltskanzleien ist das ein lukratives Millionengeschäft.
  • Gesetzeslücken: Eine Ursache für die Klagewelle sind die vielfach recht vage formulierten Handelsabkommen. „Man müsste in diesen Investitionsschutzabkommen recht unbestimmte Rechtsbegriffe wie Quasi-Enteignung oder das Gebot gerechter und billiger Behandlung schärfer formulieren. Diese schwammigen Begriffe, die geben natürlich Unternehmen die Möglichkeit, unter Umständen für jede Gelegenheit, für jedes einzelne kleine Problem zu klagen.“, sagt etwa Rolf Langhammer in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.
  • Keine Berufung: Die Staaten haben keine Möglichkeit gegen die Urteile der Schiedsgerichte in Berufung zu gehen. Die Einführung einer weiteren, übergeordneten Instanz, die Urteile überprüfen und revidieren kann, halten selbst Wirtschaftsexperten für notwendig.

Besonders lesenswert fand ich diesen Artikel in „Der Zeit“, der mir hier u.a. auch Quelle für meine Argumentation gedient hat: „Ein Milliardengeschäft für findige Anwälte“ von Alexandra Endres.

10. Fehlende Staatseinnahmen

Einem Argument ist meines Erachtens in der bisherigen Diskussion zu wenig Beachtung geschenkt wurden. Zölle sind Steuern auf Handelswaren, die importiert werden. TTIP soll diese Handelsbarrieren weiter abbauen. Ein Vertreter des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) fasst die Hoffnungen der Unternehmen folgendermaßen zusammen:

„Auf Autos, die aus den USA eingeführt werden, zahlen wir immer noch zehn Prozent Zoll. In der Chemieindustrie liegt der höchste Zoll bei 6,5 Prozent. Diese Zölle sollen durch das Abkommen komplett eliminiert werden. “
– Reinhard Quick

Ein linksliberaler Kommentator würde jetzt einwerfen: Das sind nichts anderes als Milliardengeschenke für die europäischen und amerikanischen Konzerne. Vor allem für die Exporteure der Chemie- und Autoindustrie.

Aber mich interessiert eine andere Frage. Wenn die Zölle zwischen Europa und den USA wegfallen, dann sind das fehlende Einnahmen in den Staatskassen. Wie werden diese fehlenden Staatseinahmen gegenfinanziert? Dazu habe ich noch keinen Kommentator aus der Politik gehört, der dazu Stellung bezogen hat. Gehen diese Fehlbeträge zu Lasten der Steuerzahler oder werden sie durch andere Steuern kompensiert?

Was kann ich tun?

Wer sich ebenfalls dem Protest gegen TTIP anschließen will, kann folgendes tun:

Ich habe noch eine Reihe von Artikeln, Videos und PDFs gesammelt für Leute, die sich noch intensiver mit dem Thema beschäftigen möchten. Damit es ausgewogen bleibt, habe ich auch Befürworter von TTIP einbezogen:

FOTO: TTIP_13-06-18_11 von campact, lizensiert unter CC BY-NC 2.0