Die fünf Hindernisse (nivarana)

Wir alle begegnen in der Meditation Schwierigkeiten und Hindernissen.

Heute wollen wir uns diesen Schwierigkeiten einmal etwas genauer widmen. Bitte überlege jetzt als erstes einmal, was deine ganz persönlichen Hindernisse in der Meditation sind. Was zieht dich heraus aus der Achtsamkeit… was lenkt dich ab… was hindert oder blockiert dich? Versuch ehrlich zu dir selbst dabei zu sein.

Wir sitzen immer wieder mal auf unserem Kissen und sind zugleich ganz woanders. Gedanken ziehen uns heraus, Gefühle bemächtigen sich uns. Wir wandern in die Vergangenheit oder schmieden Pläne für den nächsten Tag. Wir verlieren uns in Tagträumen. Oder kämpfen gegen irgendwas… einen Schmerz, eine Ungerechtigkeit, einen Menschen, der uns nicht versteht. Oder unser Geist wandert mal hierhin, mal dorthin… und wir ärgern uns noch darüber, dass er nicht macht, was wir wollen!

Der Buddha kannte all diese Probleme bei der Meditation ganz genau… Er nannte Sie „nivarana“… die fünf Hindernisse oder manchmal auch als fünf Hemmnisse bezeichnet. Er hat uns auch Empfehlungen gegeben, was wir tun können.

1. Sinnenlust / Gier / Begehren

Jeder hat das bereits erlebt. Mir ging es bei meinem ersten Retreat bei der Morgenmeditation so. Ich saß auf dem Kissen, wartete ungeduldig auf den Gong und erwischte mich dabei, wie ich in Gedanken immer wieder ans Frühstück dachte. Ich saß also auf meinem Kissen und wollte in Gedanken woanders hin… ich war in Gedanken woanders. Ich wurde von der Lust auf Essen weg gezogen. Und genau das ist das erste Hinderniss: die Lust auf sinnliche Erfahrung, die Gier, anderswo zu sein, der Wunsch, etwas haben oder erreichen zu wollen. Das kann natürlich materiell sein, aber manchmal auch ganz subtil. Der Wunsch nach angenehmen Gefühlen in der Meditation, auch das kann dich aus der Gegenwart vertreiben. Schon im nächsten Augenblick denkst du über die Meditation nach und bist nicht mehr bei deinem Atem.

Der Buddha sagt in einem Gleichnis:

„Zu einer Zeit, wenn wir in einem von Begierde gefesseltem Geist verweilen und die Sinneslust nicht überwinden, dann ist es schwer wirklichkeitsgemäß unser eigenes Heil oder das Heil anderer zu erkennen. Es ist, wie wenn sich da in einem Topfe Wasser befindet, versetzt mit roter, gelber, blauer oder brauner Farbe. Wenn nun ein Mensch mit gesunden Augen darin sein eigenes Spiegelbild zu sehen wünscht, so könnte er es nicht der Wirklichkeit entsprechend erkennen und wahrnehmen.“

Bitte überleg einmal, was du tun kannst, wenn Lust und Haben-wollen dich ergreifen… wie kannst du in der Meditation, wenn du es bemerkst, am besten damit umgehen? Bringt es etwas, sich über sich selbst zu ägern: „Mensch, hab ich mich wieder ablenken lassen?“ Bringt es etwas, sich das Gewünschte weiter vorzustellen und auszumalen?

Buddha sagt, wir sollen weise über das Gegenteil dessen nachdenken, was uns anzieht. Also über das Häßliche. In meinem Beispiel mit dem Frühstück, könnten das also verdorbene Speisen sein. Unangenehme Erfahrungen in der Meditation weise zu bedenken, wäre das Gegenteil bei einer Erwartungshaltung, die nur auf angenehme Erfahrungen in der Meditation ausgerichtet ist.

2. Übelwollen, Ablehnung, Hass

Das zweite Hindernis ist die Ablehnung. Das Nicht-haben-wollen. Wir sitzen auf unserem Kissen und führen einen Kampf gegen irgendetwas. Ein Ereignis in der Vergangenheit, das wir nicht überwunden haben. Einen Menschen, der gar nicht da ist, aber dessen Verletzung wir immer noch spüren. Oder einfach nur gegen die Verspannung in unserem Rücken oder gegen die Gedanken, die uns nicht in Ruhe lassen. Unser Geist ist brillant darin, etwas zu finden, das ihm nicht gefällt… was er kritisieren und ablehnen kann. Bitte überleg einmal, welche ablehnenden Empfindungen dich in letzter Zeit beschäftigt haben… auch in der Meditation. Gibt es da etwas?

Buddha sagt:

„Zu einer Zeit, wenn wir in einem von Hass gefesseltem Geist verweilen und den Hass nicht aufheben können, dann ist es schwer wirklichkeitsgemäß unser eigenes Wohl oder das Wohl anderer zu erkennen. Es ist, wie wenn in einem über dem Feuer erhitzten Topfe das Wasser aufkocht und siedet. Wenn nun ein Mensch mit gesunden Augen darin sein eigenes Spiegelbild zu sehen wünscht, so könnte er es nicht der Wirklichkeit entsprechend erkennen und wahrnehmen.“

Was kannst du tun, wenn du in der Meditation von Ablehnung und Überwollen befallen wirst? Welche Strategien sind hier wirksam für dich, wenn du dessen gewahr wirst? Hältst du dich an den negativen Gefühlen fest? Halten sie dich fest?

Auch hier empfiehlt uns Buddha das Gegenteil: Wir sollen Zuflucht zur liebenden Güte nehmen, sie ist der Weg, der unser Herz befreien kann. Wir können denen vergeben, die uns verletzt haben. Wir können Frieden mit unseren wandernden Gedanken schließen. Wir müssen den kritisierenden Geist nicht kritisieren. Wir können vielleicht sogar dem Schmerz zuhören… wie einem Kind, das weint und Trost sucht.

3. Stumpfheit, Mattheit; Müdigkeit (auch: Starrheit, Trägheit)

Kennst du das… du sitzt auf deinem Kissen und kämpfst eine halbe Stunde lang mit der Müdigkeit. Dein Geist ist wie benebelt. Und dann kommt der Gong, du stehst auf und scheinst schlagartig wieder wach zu sein. Was ist da passiert? Das ist eine ganz typische Leerlaufreaktion deines Geistes. Er verwechselt die Stille, die Ruhe mit dem Signal für die Schlafenszeit.

Buddha sagt:

„Zu einer Zeit, wenn wir in einem von Müdigkeit und Trägheit gequältem Geist verweilen und keinen Weg finden, dies zu ändern, dann wird es uns nicht möglich sein, wirklichkeitsgemäß unser eigenes Glück oder das gemeinsame Glück aller zu erkennen. Es ist, wie wenn da in einem Topfe befindliches Wasser mit Moos und Wasserpflanzen völlig bedeckt ist. Wenn nun ein Mensch mit gesunden Augen darin sein Spiegelbild zu sehen wünscht, so könnte er es nicht der Wirklichkeit entsprechend erkennen und wahrnehmen.“

Wie kann man mit dieser Müdigkeit oder Trägheit des Geistes am Besten umgehen?

Ganz pragmatisch und aus eigener Erfahrung: die Augen leicht öffnen. Das kann sehr hilfreich gegen Müdigkeit in der Meditation sein. Buddha empfiehlt uns Willenskraft und Ausdauer, denn diese Müdigkeit des Geistes nimmt mit regelmäßiger Übung langsam immer mehr ab. Mir hat geholfen, die körperlichen Reaktionen in zu beobachten, die Wärme, die Schwere des Körpers, die Wellen der Müdigkeit, die Veränderungen der Energie im Kopfbereich. Auch diese Müdigkeit selbst ist nicht starr, sondern verwandelt sich fortlaufend. Mach sie zu deinem Erfahrungsfeld der Achtsamkeit.

4. Ruhelosigkeit und Aufgeregtheit (auch: Aufgewühltheit, Sorge, Gewissensunruhe)

Das Gegenteil ist die Unruhe in uns. Wir möchten am liebsten aufspringen und herumlaufen. Oder wir möchten mit jemandem reden und unseren Gedanken austauschen. Sehr gut als Bewegung im Körper nachfühlbar, als Impulse aufzustehen oder die Körperhaltung zu verändern. Buddha meint damit aber auch die innere Unruhe durch Sorgen, Ängste oder Gewissensbisse. Begegnen dir solche Formen der Unruhe manchmal in deiner Meditation?

Buddha sagt:

„Zu einer Zeit, wenn wir in einem aufgeregten und von Unruhe gequältem Geist verweilen und nicht zur Ruhe kommen können, dann fällt es uns schwer wirklichkeitsgemäß das Gute für uns selbst und das Gute für alle anderen zu erkennen. Es ist, wie wenn sich in einem Topfe vom Winde bewegtes, unstetes, unruhig aufwellendes Wasser befindet. Wenn nun ein Mensch mit gesunden Augen darin sein eigenes Spiegelbild zu sehen wünscht, so könnte er es nicht der Wirklichkeit entsprechend erkennen und wahrnehmen.“

Wie gehen wir mit Unruhe am Besten um? Was sind hilfreiche Strategien für dich selbst?

Meine persönliche Erfahrung ist, vor der Meditation Sport zu machen. Joggen zu gehen, Spazieren zu gehen, Qi Gong zu machen. Das kann eine gute Einstimmung und Vorbereitung für die Meditation sein, wenn man sehr stark mit Unruhe zu kämpfen hat. Für die Gewissensunruhe gibt es ein Wundermittel und das ist die Beachtung der Ethik. Rechte Rede, Rechtes Handeln, Rechter Lebenserwerb, Nicht zu töten, Nicht zu nehmen, was nicht gegeben wurde, Sich nicht zu berauschen, niemandem sexuell zu schaden, nicht lügen. Es gibt keine Fortschritte in der Meditation ohne diese Ethik. Und generell gilt: Tauchen Angst, Sorgen oder anderes Leid auf… dann fliehe nicht davor… sondern schau ganz genau hin.

5. Skeptischer Zweifel

Zweifel ist so eine Mischung aus den ersten beiden Hindernissen… so ein Mix aus Ja und Nein, aus Dafür und Dagegen, aus Anhaftung und Ablehnung. Der Geist ist unstet und verstrickt sich in die eigenen Wünsche und Widersprüche. Hiermit ist auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Meditation selbst gemeint. Wir möchten gern meditieren und gut meditieren und zugleich gibt es aber noch so viele andere Sachen, die wir gern möchten. Wir zweifeln am Nutzen, an unserer eigenen Befähigung oder am Buddhismus als Ganzem.

Buddha sagt:

„Zu einer Zeit, wenn wir in einem von Zweifel zerrissenen Geist verweilen, unfähig den Zweifel zu überwinden, dann werden wir Probleme haben wirklichkeitsgemäß das Heilsame für uns selbst oder das Heilsame für alle anderen zu erkennen. Es ist, wie wenn man einen Topf mit trübem, schlammigem Wasser ins Dunkle stellt. Wenn nun ein Mensch mit gesunden Augen darin sein eigenes Spiegelbild zu sehen wünscht, so könnte er es nicht der Wirklichkeit entsprechend erkennen und wahrnehmen.“

Wie können wir mit dem Zweifel umgehen? Was hilft dir, wenn du bei der Meditation Zweifel in dir entdeckst?

Buddha empfiehlt uns „weises Nachdenken“. Schau dir beide Pole, zwischen denen dein Geist hin und her wandert, sehr genau an… und bedenke dabei die Leidhaftigkeit deiner Gedanken, die Vergänglichkeit dessen, was du willst und die Substanzlosigkeit aller Gestaltungen. Bei starkem Zweifel hilft die Zufluchtnahme zum Buddha, zum Dhamma und zur Sangha. Das Selbstvertrauen in deinen spirituellen Weg und das Vertrauen in deinen spirituellen Lehrer sind ebenfalls bedeutsam. Versuche deine Zweifel zu bemerken, zu verstehen, zu benennen und zu überwinden.

Textnachweis: Palikanon AN 5:193, Anguttara Nikaya, 5. Buch, 20. Kapitel: Brāhmaṇa Vagga, A.V.193 Die fünf Hemmungen – 3. Saṅgārava Sutta
http://www.palikanon.com/angutt/a05_181-200.html#a_v193

FOTO: Bush Fire Reflection, Victoria, Australia von Rod Waddington, lizensiert unter CC BY-SA 2.0