Der ewige Wandel

Alles ist vergänglich. Alles ist dem Wandel unterworfen. Das klingt erst einmal banal. Die Erde dreht sich um die Sonne, der Mond dreht sich um die Erde, die Jahreszeiten kommen und gehen, die Pflanzen blühen und verwelken wieder, der Zaun vor dem Haus rostet, die Zellen im Körper teilen sich und die meisten Gedanken, die ich vor einer Stunde hatte, sind bereits wieder vergessen.

Na und?

Die Vergänglichkeit ist so allgegenwärtig, dass wir sie zum Teil gar nicht wahrnehmen.

Poorly Drawn Lines: Flower

Quelle: Poorly Drawn Lines

Vergänglichkeit ist etwas ganz natürliches. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum wir sie in unseren alltäglichen Handlungen oft außer Acht lassen. Warum wir uns keine Gedanken machen, welche Bedeutung, welche Auswirkungen sie hat, welche fundamentale Bedrohung sie für uns darstellt.

Die Vergänglichkeit bedroht alles, was wir haben, alles, was ist uns lieb ist, und alles, was wir sind. Das Haus, in dem wir wohnen, wird irgendwann nicht mehr sein. Das Auto, das wir fahren, wird irgendwann kaputt gehen und verschrottet werden. Die Menschen, die wir lieben, werden altern und sterben. Wir selbst werden irgendwann tot sein, und wenn unsere Kinder und Enkel gestorben sind, wird die letzte Erinnerung an unsere Existenz ebenfalls verschwinden.

„Bald –  und du hast alles vergessen. Bald –  und alles hat dich vergessen.“

– Marc Aurel

Das ist uns selten bewusst. Zum einen tun wir oft so, als wären die Dinge schon immer da gewesen. Der Wohlstand, der uns umgibt: Bildung, medizinische Versorgung, Infrastruktur, Demokratie und Sicherheit. Das betrachten wir als Selbstverständlichkeit. Dabei lehrt uns die Geschichte unseres Landes vor allem, wie fragil und zerbrechlich das alles ist.

Zum anderen verdrängen wir die Vergänglichkeit mit allen Mitteln. Wir leben in der Illusion der ewigen Jugend. Es sind jugendliche Gesichter, die uns von Werbeplakaten anlächeln. Wir machen Diäten, wir treiben Sport, wir kaufen Bio, wir schlucken Vitamine, wir gewöhnen uns das Rauchen ab, um diesen Körper fit zu halten, um uns dem unerreichbaren Ideal auf den Plakaten anzunähern. Wir geben Milliardensummen für Gesundheit und Vorsorge aus. Der Körper muss funktionieren. Wenn nicht, braucht er eine Reparatur: wir gehen zum Arzt. Der Körper muss schön sein. Wenn nicht, braucht er Training, Kosmetik, Antiaging-Cremes oder eine Schönheits-OP.

Wir umgeben uns mit schönen und wertvollen Dingen, die uns Halt geben. Wir kaufen Häuser, Autos, Möbel, Accessoires, Schmuck, Technik. Wir richten uns ein. Wir renovieren. Wir reparieren. Wir schmeißen die abgenutzten und unschön gewordenen Dinge weg. Der abgelaufene Joghurt kommt in den Müll. Die Jeans, die nicht mehr passt, landet im Altkleider-Container. Das alte Billy-Regal auf dem Sperrmüll. Und im Herbst kommt jemand mit dem Laubbläser und treibt die abgestorbenen Blätter zusammen. Damit sie nicht in unserem Blickfeld vor sich hin faulen und uns an das ewige Werden und Vergehen erinnern.

Na und?

Ist eine dieser Strategien letztlich erfolgreich? Können wir das Altern, die Krankheit und den langsamen Verfall unserer Körper aufhalten?  Ist der Tod weniger endgültig, weniger furchteinflößend, wenn wir uns an materiellen Dingen festhalten? Ist da etwas, das unveränderbar und unvergänglich ist?

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FOTO: life after death von Attila Szűcs, lizensiert unter CC BY-NC-SA 2.0